Einführung in die Leben-Jesu-Forschung

Wenn man sich mit Jesus beschäftigt, dann ist man zunächst auf die direkten antiken Texte zu ihm angewiesen: Die biblischen Quellen. Diese stammen unmittelbar von denjenigen, die an Jesus Christus glaubten. Außerhalb dieser Quellen gibt es wenig Alternativen. Dies liegt daran, dass zu jener Zeit professionelle Geschichtsschreibung einfach nicht an Jesus interessiert war, handelte es sich doch um einen 'einfachen' Zimmermann. Dies wirft jedoch die Frage auf, wie viel von dem, was man von Jesus weiß, als historisch gesichert gelten darf, oder anders formuliert: Entsprechen die Aussagen die die Bibel über Jesus macht, der tatsächlichen Geschehnisse? Antike Historiker schrieben über Herrscher, über deren Eroberungen und Verluste und über philosophisches Gedankengut dieser Zeit. Daraus ergeben sich zwei Probleme aus historischer Perspektive: Erstens waren die Beobachtungen der Evangelisten durch ihren eigenen Glauben beeinflusst. Sie lebten in der Überzeugung, dass Jesus der Christus, also der Heilsbringer ist und zweitens waren jene Beobachtungen indirekt.

Jesus-Bildnis

Die Evangelisten waren keine direkten Augenzeugen der Wunder und Taten Jesu, sondern sie schrieben mündlich weitergegebenes Wissen über Jesus auf. Sie waren also keine direkten Zeugen sondern erfuhren von Jesus aus zweiter, dritter oder sogar vierter Hand. Es wurden also erst Jahrzehnte nach dem Tod Jesu überhaupt Texte über ihn verfasst. Interessanterweise ist diese mündliche Überlieferung, auch Tradierung genannt, ein Grund dafür, dass die biblischen Texte nicht nur viel über Jesus, sondern auch über die damalige Gesellschaft, über deren Hoffnungen und Sehnsüchte, aussagen. Als älteste Quelle zu Jesus werden heutzutage die Briefe des Paulus angesehen. Diese sollen 20 Jahre nach dem Tod Jesu, also um etwa 50 n. Chr. verfasst worden sein. Dort wird die Auferstehung Jesu bezeugt und er als Christus, das bedeutet Gesalbter, bezeichnet. Dieser Gesalbte gilt in diesen Texten als Heilsbringer, der in zweifacher Form, nämlich als Mensch Jesus und als Wundervollbringer und von den Toten auferstandener Christus, gesehen wird. Dass niemand der direkten antiken Geschichtsschreiber zunächst von Jesus Notiz nahm, ist umgekehrt aus der Glaubensperspektive in diesen Briefen ein Vorteil: Ausgerechnet ein Mensch, der den ehrlosen Tod am Kreuz, verurteilt als Verbrecher, erleiden muss, wird zur Heilsgestalt. Diese Perspektive durchzieht die gesamte Bibel: Bei vielen biblischen Geschichten handelt es sich nicht um Siegergeschichten, sondern - ganz im Gegenteil - um Menschen, von denen die wenigsten Notiz nehmen, die aber durch göttlichen Beistand Großes zu tun vermögen.

Quellen: